Fliegen in Uruguay vom 27. Februar – 18. März 2020
Ingrid Hopman
Heike Schweigert – fly-uruguay.com – macht es möglich, im zweit kleinsten Land Südamerikas zu fliegen. Auf dem Weg dorthin besuche ich noch meine Zwillingsschwester in Houston, TX, um unseren 80. Geburtstag mit einem Teil der Familie in der Karibik zu feiern.
Ende Februar sitzen Sibylle Glässing-Deiß und ich voller Vorfreude in der Linienmaschine – obwohl das Corona-Virus sich schon bedrohlich aufbaute.
Am Flugplatz Angel Adami (siehe Karte Pkt. 1) machen wir die theoretische und praktische Einweisung. Die Praxis besteht aus einem Flug mit Landungen auf dem Flughafen Montevideo Carasco (2). Unsere Flugreise in einer C172 kann beginnen.
Ich übernehme den ersten Leg und fliege der Küste entlang bis nach la Palma, ein wunderschöner langer Strand. Landung in Punta des Esta (3). Rundfahrt durch die gepflegte Stadt mit 120.000 Einwohnern und viel Tourismus.
Der nächste Flug führt uns auf Nordkurs nach Treinta y Tres (4) über ein unendlich flaches Land, vorwiegend für Rinderzucht genutzt. Wir werden von einem Rancher Namens Ivan abgeholt und fahren über Pisten zu einer Wanderung im Nationalpark Quebrada des los Cuervos. Es geht bei 30°C steil bergab über Stock und Stein zum Fluss Rio Olmar Grande. Als Achtzigjährige kann ich locker mithalten. Wir beobachten die Adler, die im Aufwind ihre Kreise ziehen. Nach einer weiteren Stunde Fahrt erreichen wir die gepflegte Ranch Estancia Pinos de la Quebrada, unsere Unterkunft. Wir sitzen am Pool und trinken ein Landebier.
Am nächsten Tag bringt uns Ivan zum Flugplatz. Ich fliege 311°, 88.5 NM nach San Gregorio de Polanco zum größten Stausee des Rio Negro, und weiter nach Tacuarembo (5), wo gerade das große Patria Gaucho-Fest stattfindet, ein Highlight unserer Flugreise. Nach langer Fahrt mit Juan (er ist Veterinär) bringt er uns zu seiner idyllisch gelegenen Ranch Panageda. Wir beziehen ein einfaches Zimmer, die Toilette hat keine Spülung, die Anweisung: Nehmt aus dem Eimer Wasser, spült nach, elektrisches Licht gibt es nur von 20:00 bis 22:00 Uhr, behelft euch mit Kerzen und Taschenlampen.
Mit Pferden und internationalen Gästen reiten wir vier Stunden aus, um mit Gouchos Rinderherden in eine Koppel zu treiben. Abenteurer pur! Am Abend sitzen wir im Freien, an einer Hauswand sind internationale Fahnen aufgemalt. Es wird gegrillt, bei einem Landebier unterhalten und lachen wir viel. Tatsächlich geht um 22;00 Uhr das Licht aus.
Am nächsten Tag fährt uns Juan zur Privatunterkunft Anna Laura in Tacuarembo, wo wir nachts die laute Musik des größten Gaucho-Festes des Landes, das bereits begonnen hat, hören.
Wir besuchen den Flugplatz von Santos Servicios Aeros. Der Besitzer Williams Santos ist Agrarpilot, ein guter Freund von Heike. In seinem riesigen Hangar stehen einige Agrarflieger, eine Piper J3C und eine Cessna 140.
Von ihm und seiner Frau werden wir eingeladen, die Parade der Gauchos mit 4.500 Pferden und Reitern zu verfolgen. Die Reiter tragen wunderschöne selbstgestickte Gürtel. Viele Kinder und junge Mädchen in schönen Trachten sind dabei. So etwas muss man erlebt haben – wie fröhlich und friedlich alles abläuft! Nachmittags gehen wir zu Fuß ca. 2 km zum Gaucho-Festplatz, schauen einem Rodeo zu, machen noch einen Rundgang entlang der vielen Verkaufsstände und tauchen später in das musikalische Geschehen ein.
Nach dem Festival fliegen wir in nördlicher Richtung nach Rivera (6), um zu tanken. Nicht jeder Flugplatz hat Sprit. Der Flugplan wird nach Salto (7) ist aufgegeben. Wir fliegen in westlicher Richtung, zunächst der brasilianischen Grenze entlang. Bei Salto fließt der riesige Rio Uruguay, der Grenzfluss zu Argentinien.
Tags darauf geht es weiter Richtung Norden nach Artigas (8), entlang des Rio Uruguay und dann entlang der Argentinischen Grenze. Pünktlich um 12:00 Uhr lande ich. Die Männer staunen nicht schlecht, als drei Pilotinnen dem Flugzeug entsteigen. Transfer zum Hotel und anschließend der Besuch einer Amethyst Mine. Sibylle und ich wandern später die Hauptstraße entlang, kommen zu einer mächtigen Brücke, die Uruguay mit Brasilien verbindet. Sie wird von der Polizei überwacht und wir dürfen die Grenze überschreiten. Auf der uruguayischen Seite gibt es am Kiosk gute Pizza – also nichts wie hin – und dazu eine große Flasche Patrizia Bier.
Heike sieht im Wetterradar, dass von Argentinien eine gewaltige Gewitterzelle nach Montevideo zieht.
Am 10. März fliegen wir von Artigas mit 243° bis Concordia, 200° entlang des Rio Uruguay bis Paysandu, dann mit 128° nach Paso de los Toros. Wir verlassen das hügelige Land, Wolken ziehen auf, es gibt kaum Auffanglinien, Flüsse, vereinzelt Straßen, wir erspähen eine Eisenbahnlinie. Es macht Spaß, terrestrisch zu navigieren.
Wir überfliegen nach einiger Zeit die Estancia de la Turistica, wo wir übernachten werden. Nachdem wir uns versichert haben, das keine Tiere auf der Landebahn sind und in welche Richtung der Windsack zeigt, landet Sibylle butterweich auf der Grasbahn 11 von Paso de los Toros (9).
Unsere Maschine wird mit Hilfe dreier Männer in die Halle geschoben. Nun kommt Cecilia, die Besitzerin der Estancia, mit ihrem 17 Jahre alten Renault angeprescht. Die Fahrt geht über Stock und Stein, es klappert an allen Ecken und Enden, ohne Aircondition, die offenen Fenster genügen. Wir erreichen ihr uraltes Landhaus, die Ranch, so sie mit fünf Geschwistern aufgewachsen ist. Cecilia wohnt mit ihrem Mann, er ist Anwalt, in Montevideo.
Die Flugvorbereitung ist gemacht. Das Wetter am Morgen ist schön. Cecilia fährt uns zum Flugplatz. Heike sieht auf dem Wetterradar, dass das mächtige Gewitter sich noch im Westen vor Colonia und Montevideo befindet. Wir entschließen uns, noch eine Nacht hier zu verbringen, wir sind ja gut in der Zeit.
Und wir besuchen den größten Staudamm Uruguays am Stausee Rincon del Boneto, Zufluss ist unter anderem der Rio Negro. 1937 wurde der Bau des Dammes von Deutschen begonnen. 1942 mussten die deutschen Arbeiter in den Krieg ziehen, es gab Stillstand. 1947 wurde der Damm durch Männer aus Uruguay und Argentinien fertig gestellt.
Nachts gewittert es heftig, es hat abgekühlt, wir müssen früh aufstehen, haben einen langen Flug vor uns. Von da aus fliegen wir an vier Stauseen vorbei, westlicher Kurs, das Land ist flach, wir erreichen den Flugplatz Mercedes (10) und den Rio Negro, der in den Rio Uruguay fließt. Mit 180° fliege ich östlich des Flusses, an der Westseite voraus liegt Buenos Aires, man sieht wegen Bodennebels nicht viel, Weiterflug in 1.000 ft, der Nebel verzieht sich bald. Dazwischen liegt ein besonderer Grasplatz direkt am Wasser, der des Präsidenten. Ich fliege daran vorbei, nach 368 NM lande ich auf Heikes Heimatflughafen Colonia del Sacramento (11).
Ein Anruf der Luftwaffe auf dem Flughafen, es sei ein Flugzeug nahe am Präsidentenplatz vorbeigeflogen. Der Controller beschwichtigte die Herren: Unser GPS hätte leider nicht richtig angezeigt – das hätte Ärger geben können!
Die letzte Etappe mit dem Ziel Angel Adami bei Montevideo (1) fliegt Sibylle am Rio Plata entlang, der in den Atlantik mündet. Man kann die Trennlinie zwischen Fluss und Ozean erkennen. Eine wunderbare Flugreise findet ihr Ende.
Vor dem Rückflug nach Europa gönnen wir uns noch einen Besuch des UNESCO-Weltkulturerbes Colonia des Sacramento mit fantastischer Altstadt. Abends sitzen wir auf der Hotelterrasse und lassen die Reise Revue passieren. Eine tolle Erfahrung, viele schöne Begegnungen mit Menschen, beeindruckende Flüge.
Wir erfahren aus der Presse, dass sich Corona in Italien und Spanien weiter verbreitet hat. Die Linienflüge sollten eingestellt werden, wir machen uns Sorgen, ob wir nach Hause kommen. Am 18. März landen wir pünktlich in Madrid, nahezu menschenleer sind die Gebäude. Unser Flug nach Stuttgart ist gecancelt, aber wir ergattern einen nach Frankfurt. Der ICE bringt uns nach Hause. In Rimsting genieße ich mein letztes Landebier dieser wundervollen Reise, die wenige Wochen später nicht mehr möglich gewesen wäre.