Wer hätte 1980 gedacht, dass ich am 12.Oktober 2019 meine letzte Landung als Flugkapitänin auf dem großen Airbus A340-600 mache. Ich hätte es mir nicht träumen lassen!

In 39 Jahren als Pilotin und 30 Jahren Berufsfliegerei habe ich einige Flugzeugmuster kennengelernt und bin sie auch geflogen. 19 Jahre war ich Kapitänin, davon zunächst acht Jahre auf dem Airbus A320, damals als erste Frau.
Ich war es gewohnt, dass die Passagiere stutzen, wenn man eine weibliche Stimme aus dem Cockpit vernahm. Wurde ihnen klar, dass vorne jetzt eine Frau die Chefin war, oder gar nur Damen im Cockpit saßen, waren die Reaktionen sehr unterschiedlich. Darüber lässt sich ein ganzes Buch schreiben – ich denke, dass ich das einmal machen werde.
11 Jahre war ich Kapitänin auf dem Airbus A 330/340 und habe die ganze Welt bereist. Ich hatte unterschiedliche Erlebnisse und wundervolle Begegnungen und lernte ferne Länder kennen. Es hat mir viel Spaß gemacht, auch wenn es oft Herausforderungen gab: Nachtflüge, Zeitzonen, Klimawechsel, anspruchsvolle Anflüge und die vielen Prüfungen, die frau in ihrem Fliegerleben bestehen musste.
Die Freuden dabei waren die Treffen der Pilotinnen-Freundinnen in aller Welt, dem Wintergrau entfliehen und irgendwo in der Sonne das Flugzeug verlassen. Fremde Länder und Kulturen kennenlernen und einen größeren Blick auf die Dinge der Welt bekommen – wer hat dazu schon die Gelegenheit?
Sicher hätte ich noch einige Jahre weiter mit dem A330 und A340 die Welt entdecken können. Doch ich habe mich bewusst für den Abschied aus der großen Fliegerei entschieden. Zunächst war die letzte Landung noch ganz weit weg, doch das Ereignis kam schnell näher: Die letzte Simulator-Prüfung auf dem A330, das letzte Emergency-Training, die letzte Landung auf dem A340-300, das letzte Mal in Kapstadt usw. – es gab viele letzte Male.
Als Abschiedsflug wählte ich Hongkong. Ich durfte mir meine Cockpitbesatzung wünschen und einen Teil meiner Kabinencrew. Außerdem begleiteten mich mein Mann und einige Freunde nach Hongkong. Die Zeit war toll und der letzte Flug war ein ganz besonderer.
Man hatte für mich eine goldene Uniformjacke mit vier blauen Streifen nähen lassen, die ich vom Crewhotel bis nach Hause trug. Meine Crew und meine Angehörigen trugen T-Shirts mit dem Aufdruck „Team Andrea“, und überall wurde Konfetti gestreut. Unsere Passagiere wunderten sich über die „Dame mit dem goldenen Jacket“ und das „Team Andrea“. Nachdem wir den Gästen erklärten, was an diesem Flug so besonders war, entstand eine ganz besondere Stimmung an Bord. Alle waren ein Teil dieses besonderen Fluges. Nach dem Einflug in den deutschen Luftraum sprachen uns alle Kontroller nur noch als „Andrea one“ an: „Andrea one, descend to FL 330“.
Dann kam der Anflug. Ich machte meine letzte Ansage über die verbleibende Flugzeit und das Wetter. Das ging noch ganz gut. Als ich aber erklärte, dass dies nun meine letzte Landung in meiner Karriere als Kapitänin bei Lufthansa sei, wurde meine Stimme etwas zittrig. Ich musste mehrmals tief durchatmen. Dann den Autopiloten ausschalten, den Flieger in die Hand nehmen und die letzte Landung auf der 25L.
Es war noch dunkel, und die Landebahnen waren hell erleuchtet – eine ganz besondere Stimmung. Mit 150 kt setzte ich den Flieger sanft auf die Bahn und rollte nach rechts raus. In dem Moment schaltete mir mein Copilot die Musik aus der Kabine ins Cockpit. Es wurde John Denver „Leaving on a Jetplane“ gespielt. Sehr ergreifend!
Nach dem überqueren der Bahn 25C erhielten wir unsere Rollanweisung für das Gate B23. Plötzlich tauchten im Dunkeln drei „Follow Me“ auf, schaltete ihr Blinklichter ein und geleiteten mich zu meiner endgültigen Parkposition.
Beim Aussteigen der Gäste schüttelte ich mindestens 300 Hände und nahm viele Wünsche entgegen. Danach letzte stimmungsvolle Worte zum Abschied mit der Crew und lange Umarmungen. Selbst die Kollegen aus Hongkong haben mir eine lockere Schokoladentorte backen lassen.
Und ganz zum Schluss bekam ich ein weiteres wunderschönes Geschenk: Ein Kollege hat mein letztes Einparken gefilmt. Wunderschön!
Nun werde ich die Welt mit kleineren Flugzeugen oder Hubschraubern bereisen, den Menschen das Fliegen beibringen und Bücher schreiben.
Andrea Amberge